Symposium-Rückblick: Künstlerische Autorschaft in Zeiten generativer KI

21.07.2025 | von Jens Hoppe

Am Donnerstag, den 15.05.2025, fand im MUC.DAI - Munich Center for Digital Sciences and AI - eine interessante Veranstaltung zum Thema „Künstlerische Autorschaft in Zeiten generativer KI“ statt. Versierte Anwender generativer KI, die bereits in Bereichen wie Text-, Bild-, Musik- oder Videoproduktion tätig sind, konnten sich hier über aktuelle Entwicklungen, rechtliche Aspekte und ästhetische Fragestellungen informieren. Moderiert wurde das Symposium von Mariya Dzhimova (MUC.DAI und wavelab), Fabulr-Gründer Jens Hoppe war vor Ort und hat die wichtigsten Ergebnisse für uns zusammengefasst.

Einführung in das Thema

Die Moderatorin unterstrich eingangs die wachsende Bedeutung von Künstlicher Intelligenz in kreativen Prozessen. Während die Debatte um künstlerische Autorschaft historisch gewachsen ist und sich in unterschiedlichen Kunstepochen (u. a. durch Ready-made-Kunst und Künstlerkollektive) immer wieder neu stellte, sorgen heutige Fortschritte bei generativer KI für eine intensivierte Diskussion:

  • Veränderung der Kreativität: Digitale Technologien machen neue Arten künstlerischer Kollaboration möglich und werfen Fragen zur Rolle von Autorenschaft auf.
  • Autorschaft und Netzwerkgedanke: Immer mehr Prozesse erfolgen in Kooperation mit KI oder anderen Werkzeugen, sodass Autorenschaft zunehmend als verteiltes Netzwerk verstanden werden kann.
  • Ethik und Qualität: Die Spannung zwischen seriell hergestellter, „funktionaler“ Kunst und anspruchsvoller, herausfordernder Kunst wird gerade im KI-Kontext kontrovers diskutiert.

 

Symposium-Rückblick: Künstlerische Autorschaft in Zeiten generativer KI

1. Vortrag: „Braucht Musik einen menschlichen Autor?“ (Prof. Dr. Melanie Wald-Fuhrmann)

Prof. Wald-Fuhrmann vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik stellte historische Beispiele algorithmischer Musikproduktion vor, die bis ins 17. und 18. Jahrhundert zurückreichen. Schon damals wurden Maschinen und mechanische Apparate (z. B. Musikautomaten oder Würfelsysteme) eingesetzt, um Kompositionen zu erstellen oder zu reproduzieren.

Funktionale Musik und KI

Im Vortrag rückte Prof. Wald-Fuhrmann auch die Herstellung funktionaler Musik in den Fokus. Dabei ging es um die Frage, wie man für bestimmte Zwecke (z. B. Hintergrundmusik) schnell, kostengünstig und „auf Knopfdruck“ Klangwelten generieren kann. Hier zeigt sich:

  • KI in Produktionsschritten: Viele Komponisten nutzen heute KI-Tools, um einzelne Arbeitsschritte wie Inventio (Ideenfindung), Dispositio (Strukturierung) oder Elocutio (Ausarbeitung) zu unterstützen.
  • Emotion und Rezeption: Gerade bei Musik bleibt jedoch die emotionale Komponente für den Hörer bedeutsam. Die Diskussion drehte sich darum, wie stark diese emotionale Resonanz ausfällt, wenn eine KI anstelle eines Menschen komponiert - und welche Rolle menschliche Kreativität und Autorschaft dabei noch spielen.

Autorschaft und KI in der Musik

Die Frage, wie man künstlerische und rechtliche Autorschaft definiert, wenn KI signifikant zum Werk beiträgt, zog sich als roter Faden durch den Vortrag. Trotz des in der Ästhetik diskutierten „Todes des Autors“ erwarten viele Menschen bei einer musikalischen Komposition noch immer eine menschliche Handschrift und künstlerische Intention. Trotzdem zeigt sich ein Spektrum:

  • Zwischen funktionalem Klang und Kunst: Musik kann sowohl als bloßes Alltagsprodukt (z. B. Nutzung als Untermalung in Videos oder Werbung) als auch als Kunstwerk „im emphatischen Sinne“ erzeugt werden.
  • Verteilte Autorschaft: Je nach Kontext können Mensch und Maschine zu unterschiedlichen Anteilen an Komposition und Klanggestaltung beteiligt sein.

Symposium-Rückblick: Künstlerische Autorschaft in Zeiten generativer KI

2. Vortrag: „KI und Urheberrecht“ (Prof. Dr. Fabian Schmieder)

Im zweiten Vortrag beleuchtete Prof. Schmieder, Professor für Medienrecht an der Hochschule Hannover, die urheberrechtlichen Aspekte generativer KI.

Urheberrecht und KI-Kunst

  • Menschliche Schöpfung: Nach deutschem und europäischen Urheberrecht gelten Werke nur dann als schutzfähig, wenn sie „persönliche geistige Schöpfungen“ sind - also von Menschen stammen.
  • Komplexität der Prompts: Erreichen die Eingaben (Prompts) an eine KI eine deutliche „Schöpfungshöhe,“ könnte gegebenenfalls sogar der Text des Prompts urheberrechtlich geschützt sein.

Urheberrecht und KI-Entwicklung

  • Training mit geschützten Werken: Beim Trainieren von KI-Systemen geht es häufig um den Zugriff auf riesige Datenmengen, darunter auch urheberrechtlich geschütztes Material. Die sogenannte Text-and-Data-Mining-(TDM)-Schranke erlaubt Forschung und Entwicklung, bedarf aber oft einer fairen Entschädigung für Kreative.
  • Mögliche Grauzonen: Prof. Schmieder betonte, dass viele Fragen noch ungeklärt sind. Die rasante technologische Entwicklung stellt den Gesetzgeber vor neue Herausforderungen, beispielsweise bei der Nutzung fremder Stile oder sogenannter „Sampling“-Prozesse.

Urheberrecht und KI-Diskussion

Die Teilnehmer*innen thematisierten zudem die Investitions- und Leistungsschutzrechte bei KI-Produktionen. Gerade in der Musikproduktion kann es zu Konflikten kommen, wenn KI-generierte Inhalte vorschnell mit Produzentennamen versehen werden oder Manipulationen den Eindruck von Originalität erwecken. Hier sind rechtliche Klarheit und Ethik gleichermaßen gefragt.

Symposium-Rückblick: Künstlerische Autorschaft in Zeiten generativer KI

3. Vortrag: „Erweiterte Autorschaft/Akteurschaft in Literatur und Kunst“ (Prof. Dr. Stephanie Catani)

Im dritten Beitrag sprach Prof. Catani (Universität Würzburg) über die Rolle von KI in der digitalen Literatur, die sie als „metadigitale Literatur“ bezeichnet.

Künstliche Intelligenz in Kunst

  • Reflexion und Selbstkommentierung: In der metadigitalen Literatur wird der Einsatz von KI nicht nur als technisches Hilfsmittel betrachtet; Autor*innen legen vielmehr offen, wie eine KI an der Textentstehung beteiligt ist und reflektieren dies künstlerisch.
  • Erweiterte Autorschaft: Anknüpfend an Bruno Latours Akteur-Netzwerk-Theorie plädiert Prof. Catani dafür, Kreativität als Netzwerkprozess zu verstehen, in dem sowohl menschliche als auch KI-basierte Akteure zusammenspielen.

Inklusive Kunst und Ethik

Prof. Catani erwähnte zudem die US-amerikanische Künstlerin Elson Ferrish, die mittels inkludierter Textexperimente und KI-Nutzung algorithmische Voreingenommenheiten sichtbar macht und marginalisierte Perspektiven einbindet. Solche Projekte werfen ethische Fragen zur KI-Verantwortung auf und betonen zugleich das Potenzial, kreatives Schaffen zu demokratisieren.

4. Diskussionsrunde: Konzepte von Autorschaft im Kontext KI

Im letzten Teil des Symposiums kamen alle Referent*innen sowie das Publikum zu Wort. Es zeigten sich mehrere zentrale Diskussionsstränge:

  1. Zukunft der Kunst: Herausforderung oder Massenware?
    Kann KI-unterstützte Kunst zu einer Flut beliebiger, austauschbarer Inhalte führen? Oder verschiebt sich der Fokus auf außergewöhnlich originelle Kunstwerke, bei denen menschliche Kreativität besonders gefragt ist?

  2. Kreativität im digitalen Zeitalter
    Viele Teilnehmende stellten die Frage, ob Kreativität zunehmend in verteilten Prozessen (Mensch+KI) stattfinde und welche Chancen und Risiken mit immer mächtigeren KI-Tools einhergehen. Gerade im Zusammenspiel von Mensch und Maschine entstehe oft etwas Neues, das sich nicht rein auf menschlichen oder maschinellen Ursprung zurückführen lasse.

  3. Kunstqualität und KI-Debatte
    Wie misst man die Qualität von KI-generierter Musik, Texten oder Bildern? Welche Rolle spielen Intention und individuelle Erfahrung bei der Bewertung der Werke?

  4. Ethische Fragen zur KI-Musik
    Welche Verantwortung trägt der Mensch, wenn KI-generierte Musik suggeriert, sie käme von einem bekannten Produzenten? Die Risiken von Manipulation und Urheberrechtsverletzung, besonders in digitalen Plattformen, standen im Mittelpunkt.

  5. Autorschaft: Mensch, Maschine oder Netzwerk?
    Während Manche Autorschaft am Menschen festmachen (Betonung der Intentionalität), verweisen andere auf die Blackbox-Natur moderner KI-Systeme, die eigenständige Ergebnisse liefern. Wiederum andere sehen eine „erweiterte Autorschaft“, in der Mensch und KI gleichberechtigt agieren.

Ausblick und Fazit

Die Teilnehmenden schlossen mit der Erkenntnis, dass sich Autorschaft im Zeitalter der generativen KI nur durch ein vielschichtiges, differenziertes Modell erfassen lässt. Gerade für technikaffine Anwender, die KI regelmäßig für Kunst, Musik, Film oder Text nutzen, bietet sich die Chance, neue Formen kreativer Kollaboration zu entdecken - jedoch verbunden mit ethischen, rechtlichen und ästhetischen Fragestellungen, die weiter diskutiert werden müssen.

Zukünftige Veranstaltungen am MUC.DAI sollen diesen Dialog fortsetzen. Die Einladung zu einem weiteren Austauschtermin unterstrich die Bereitschaft, die Debatte offen und praxisnah weiterzuführen: Werden wir uns an Serienproduktionen von KI-Kunst gewöhnen, oder erleben wir eine „Renaissance des Autors“ als Reaktion auf diese technischen Potenziale? Fest steht: Das Thema bleibt hochrelevant, und die Diskussion über künstlerische Autorschaft, Qualität, Verantwortung und rechtliche Fragen rund um KI entwickelt sich rasant weiter.

Anwendung auf Fabulr

Im Nachgang ein paar Gedanken zur Anwendung der Überlegungen auf Fabulr: Fabulr.com ist eine Comedy-Plattform, bei der alle humorvollen Ideen – ob bildbasierte Gags, Songtexte oder Einfälle für witzige Filme, Games oder Produkte – grundsätzlich von den Nutzerinnen und Nutzern selbst stammen. Die generative KI wird lediglich als technisches Werkzeug eingesetzt, um z.B. Bilder, Logos oder Songs zu produzieren. Dadurch entsteht eine klare Rollenverteilung: Die kreative Autorschaft und Verantwortung für Inhalt und Stil liegt beim Menschen; die KI – mit externen, generativen KI-Tools nach Wahl – übernimmt die handwerkliche Umsetzung.

Gleichzeitig wurde auf dem Symposium deutlich, dass der Einsatz generativer KI auch kritische Aspekte mit sich bringt:

  • So stellt sich die Frage, wie stark die Ergebnisse einer KI möglicherweise konventionelle oder stereotype Inhalte reproduzieren und dadurch die Vielfalt des Humors beeinträchtigen können.
  • Urheberrechtliche Grauzonen bleiben bestehen, wenn etwa unklar ist, ob trainierte Modelle auf geschütztes Material zugreifen oder wann Prompts selbst rechtlich relevant sein könnten.
  • Auch ethische Fragen wurden angesprochen, etwa ob und wie schnell inhaltliche Grenzen überschritten werden können, wenn viele Nutzer KI-Tools unbedacht einsetzen.
  • Schließlich bleibt die Rolle des menschlichen Urteilsvermögens – etwa beim Erkennen fragwürdiger Inhalte oder respektlosem Humor – ein zentraler Punkt: Trotz technischer Unterstützung liegt es an den Nutzerinnen und Nutzern, dem Comedy-Produkt den entscheidenden menschlichen Feinschliff zu geben und verantwortlich zu handeln.

Zwar profitieren bei Fabulr gerade auch Neueinsteiger von einer unkomplizierten Möglichkeit, ihre Ideen zu visualisieren oder zu vertonen – jedoch nur unter dem Vorbehalt, dass die Nutzerinnen und Nutzer sich ihrer kreativen, rechtlichen und ethischen Verantwortung bewusst bleiben. Durch diese kritische Auseinandersetzung wird der Einsatz von KI-Tools bei Fabulr nicht bloß als Chance, sondern auch als stetige Herausforderung wahrgenommen, bei der menschliche Autorschaft stets im Mittelpunkt steht. Fabulr stärkt menschlichen Witz statt ihn zu ersetzen.

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Über das Fabulr blog

Hier schreiben wir über aktuelle Entwicklungen der Fabulr Plattform - sowohl über Technik und Features als auch über Trends, Hintergründe und Marktentwicklungen. Wir feiern Erfolge und stellen besondere Inhalte vor.

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